Stell dir ein Wohnzimmer vor, das Ton in Ton in einer hellen Farbe eingerichtet ist. Die Wände, der Teppich, die Möbel und Sofakissen, Bilder und Vorhänge - nichts hebt sich farblich voneinander ab. Das Fenster ist geschlossen, es ist still im Raum. Auch windstill.
Der Raum hat ein großes Fenster mit einer Türe zum Garten. Du ziehst den Vorhang der Gartentür beiseite, öffnest die Tür und machst einen Schritt hinaus.
... in ein Meer aus Farben und Formen: Weiche Gräser, stachelige Sträucher, bunte Blüten und schnörkelige Bäume in ihrer Vielgestaltigkeit. Blauer Himmel auf der einen Seite. Wolken auf der anderen Seite. Der Wind weht. Und es duftet nach Leben.
Das ist die Lebendigkeit, die ich meine, wenn ich von einer "lebendigen Partnerschaft" spreche.
Umgang mit Konflikten als Thema in der (Online-) Paarberatung und Paartherapie
Einige Paare gehen in einer Paarberatung oder Paartherapie eben diesen Schritt nach draußen in den bunten Garten.
Hier geht es manchmal um den Umgang mit Konflikten. Viele Paare wünschen sich ein "friedvolles Familienklima".
Doch dabei verwechseln wir manchmal etwas: ein "friedvolles Familienklima" bedeutet nicht, dass es keine Konflikte als Paar oder in der Familie gibt.
In jeder Familie gibt es Konflikte. Konflikte sind ein normaler Teil des Zusammenlebens.
Dies ist gar nicht anders möglich. Denn als Familie leben wir auf engem Raum zusammen und jeder Mensch, ganz gleich wie jung oder alt, hat seine Merkmale, Bedürfnisse und Wünsche - seine Einzigartigkeit.
Und so treffen auch Unterschiede aufeinander, die sich nicht (so leicht) unter einen Hut bringen lassen.
Die Paare, mit denen ich in meiner (Online-) Praxis für Paarberatung und Paartherapie arbeite, wollen einander in ihrer Einzigartigkeit akzeptieren. Sie wollen ihrem Partner oder ihrer Partnerin und ihren Kindern die eigenen Meinungen und Gefühlen zugestehen.
In der Umsetzung ist dies nicht immer so einfach wie es klingt.
Die Regulation eigener Gefühle wirkt sich auch auf die Partneschaft aus
Als Menschen steht uns eine breite Palette an Emotionen zur Verfügung, die wir nutzen können, um durch den gemeinsamen Alltag zu segeln.
Doch im Alltag als Paar und Familie passiert es hin und wieder, dass wir versuchen einander zu "verbiegen". Denn das Farbenspiel der Gefühle kann eine Herausforderung sein. Wenn es für uns eine zu große Herausfordeung darstellt, wollen wir es dann doch lieber "Ton in Ton".
Schauen wir am Beispiel von Teresa und Tom darauf, wie das aussehen kann*:
Beispielsweise liegt Tom am Abend, wenn die Kinder schlafen, gerne auf der Couch. Teresa kann das schwer aushalten, sie selbst beschäftigt sich aktiv mit verschiedenen Dingen, bis sie schlafen geht. Toms Verhalten assoziiert sie mit "faul sein" und bei ihr entwickelt sich jeden Abend ein großer Ärger.
Wenn Teresa wiederum ihre Traurigkeit nach einem Erlebnis mit Tom teilen möchte, dann wird Tom, der stets lösungsorientiert an Probleme herangeht, von eigenen Gefühlen überschwemmt, die er schwer regulieren kann.
Ähnlich wie viele Menschen haben Tom und Teresa gelernt, dass Ärger oder Traurigkeit "unter den Teppich gehören".
Teresa und Tom sagen einander Sätze wie:
"Was musst du immer so faul herumhängen?"
"Du bist nicht zum Aushalten!"
Oder:
"Du warst jetzt lange genug traurig, es gibt wirklich keinen Grund mehr!"
Wenn wir mit eigenen Gefühlen nicht zurechtzukommen, ist eine Möglichkeit, dass wir aufeinander Druck ausüben. Und zum Beispiel durch Abwertungen versuchen, das Verhalten und das emotionale Erleben (die uns Stress machen) eines anderen Menschen zu verändern.
Dies kann auch die Kinder betreffen.
Ein Beispiel wäre, wenn eine Mama oder ein Papa das eigene Kind zu einem Verhalten drängt, weil er oder sie nicht aushalten kann, was vielleicht die Nachbar*innen von ihnen denken könnten.
Es hat seinen Preis. Denn unseren Kindern (bzw. der Partnerin oder dem Partner) vermitteln wir:
Du sollst nicht sein, wie du bist.
Nur: Gefühle und Temperamente lassen sich nicht ändern. Schon gar nicht dadurch, dass wir einander in die Ecke drängen.
Ja, es kann schmerzhaft sein, zu sehen, was wir da eigentlich miteinander machen.
Und manchmal ist es ein wertvoller Schritt in eine neue Richtung.
Ein neuer Umgang mit Emotionen für Elternpaare
Die Gefühle, die wir bei uns selbst, bei unserem Partner oder unserer Partnerin und bei den Kindern wahrnehmen, können wir nutzen - für eine lebendige Partnerschaft und ein lebendiges Familienleben.
Dies ist möglich, wenn wir uns trauen, auf uns selbst zu schauen - auf unsere Haltung gegenüber starken Gefühlen (insbesondere auch den sozial weniger akzeptierten Emotionen wie Ärger oder Neid).
Wir können auf unsere eigene Emotionsregulation schauen, wenn wir immer wieder Stress mit dem Verhalten oder den Gefühlen unserer Familienmitglieder haben.
Wir können uns ansehen, was dahintersteckt - bei uns: "Ich komme gerade nicht damit klar, was dein Standpunkt oder deine Stimmung in mir auslöst."
Es ist nicht immer leicht. Überhaupt nicht.
Eine lebendige Partnerschaft zu leben bedeutet, Herausforderungen anzunehmen.
Und wenn wir miteinander im bunten Garten stehen - neben den stachelige Sträuchern, bunten Blüten und schnörkelige Bäumen - dann sehen wir, was hier möglich ist:
Würdevoll miteinander umzugehen und einander die Menschen sein zu lassen, die wir sind.
*Anmerkung: Die Privatsphäre meiner Klient*innen bleibt geschützt. Teresa und Tom sind zwei fiktive Personen, die jedoch in ihrer Geschichte als Paar Aspekte zeigen, die manche Paare aus meiner Praxis in ähnlicher Weise erleben. Die Zuteilung von Erleben und Verhalten zu Teresa und Tom könnten auch beim jeweils anderen Geschlecht vorkommen.
Dies ist das Blog des Halthafens.
Meine Texte ergeben sich aus der Beschäftigung mit psychologischer und systemischer Literatur und Forschung, meinen Erfahrungen in der Paartherapie mit Eltern in meiner Praxis in Darmstadt und der Paarberatung und Paartherapie online sowie aus meinem Leben als Mama von zwei Kindern. Wenn du über neue Texte informiert werden magst, folge mir gerne auf Instagram oder trage dich gern für meinen Newsletter ein.