Hilfen für erschöpfte Mütter und Väter – praktische Tipps und persönliche Einblicke

Zweisamkeit, Teetrinken, Erschöpfte Elternpaare

Erschöpfung von Müttern und Vätern als Normalzustand?

Die meisten Eltern spüren es: die Last des Familienalltags ist auf wenigen Schultern verteilt. In der Kleinfamilie, in der die meisten von uns leben, versuchen zwei Erwachsene Job(s), Kinder, Haushalt, gesundes Kochen, Bewegung, Freundeskreis mit der Partnerschaft und den jeweils eigenen Bedürfnissen unter einen Hut zu bringen. So befinden sich viele Paare im Dauerspagat. Dieser Dauerspagat kann die Kräfte überstrapazieren und zu Erschöpfung bei Eltern führen. Viele Elternpaare „übersehen“, dass der Körper mit Symptomen wie schlechtem Schlaf, Gleichgültigkeit, Rückenschmerzen oder Gedächtnislücken schon um Hilfe ruft. Viele Paare legen die Partnerschaft „auf Eis“ oder nutzen sich gegenseitig als Ventil. Das kann für eine bestimmte Zeit hilfreich sein oder – wenn es keine bewussten Entscheidungen sind – auch zu großer Unzufriedenheit als Paar führen. Wenn unsere Akkus ganz leer sind, verlieren wir unter Umständen auch die Kinder aus dem Blick. Erschöpfte Mütter und Väter können nicht zugewandt und liebevoll auf die Kinder reagieren, sondern kämpfen ums Überleben.

 

In meiner (Online-) Praxis für Paarberatung und Paartherapie für Eltern nutze ich mit meinen Klient*innen gerne diese Metapher: bei Erschöpfung sitzen wir in unserem inneren Versteck. Wir verkriechen uns in einer kleinen, dunklen Höhle, in der wir die Menschen um uns herum nicht sehen und hören, sondern darauf warten, dass die Hilflosigkeit vorbeigeht.

 

Diese Höhle ist Teil eines wertvollen Schutzmechanismus. Gleichzeitig haben unsere Kinder ein Problem, wenn wir nicht präsent sind - je jünger sie sind, umso mehr. Denn Kinder brauchen Eltern, die für sie da sind. Natürlich sind wir als Eltern manchmal oder häufig müde. Es ist normal, dass es Phasen gibt, in denen sich Eltern erschöpft und kraftlos fühlen. Wenn wir aber dauerhaft oder über längere Zeitfenster hinweg nicht für unsere Kinder ansprechbar sind, weil unsere Akkus leer sind, ist es unsere Aufgabe für Entlastung zu sorgen und dafür, dass die Kinder vertraute Menschen um sich herumhaben, die präsent sind. Interessierte Leser*innen können in meinem Artikel „Das kleine Versteck in uns – über den Zusammenhang von Überforderung und Dissoziation im Alltag als Paar und als Familie“ nachlesen, wie sich Erschöpfung im Familienalltag auch zeigen kann.

 

Was tun, wenn Eltern am Ende ihrer Kräfte sind?

Viele Familien brauchen Entlastung bei der Bewältigung der alltäglichen Aufgaben. Was der erste wichtige Schritt ist, um aus dem „Keller der Erschöpfung“ wieder herauszukommen, ist eine individuelle Frage.

 

Es gibt Hilfen aus der Familie, der Nachbarschaft oder dem Freundeskreis und es gibt Hilfen, die wir bezahlen. Meines Erachtens nach geht es stets darum, zu schauen, welche Art der Unterstützung wir als wirklich unterstützend erleben. Wir dürfen jede Hilfe, die wir als unterstützend erleben, nutzen!

 

Nachfolgend möchte ich die verschiedenen Möglichkeiten beschreiben, auf die Eltern- und Liebespaare zurückgreifen können – präventiv oder im Notfall. Dabei geht es mir zunächst um Unterstützungsformen, die dabei helfen, dass der Rahmen steht (Punkte 1. – 4.): Kinder und Erwachsene müssen mit Essen, Pflege und Nähe zu vertrauten Menschen (unsere physiologischen und psychischen Grundbedürfnisse) versorgt sein. Wenn das Grundgerüst steht und alle Familienmitglieder körperlich und emotional gut über die Runden kommen, dann können sich Eltern auch an inhaltliche Themen heranwagen (Punkte 5. – 8.).

 

1. Kinderbetreuung und Babysitter*innen

Eltern brauchen Entlastung bei der Betreuung und Kinder profitieren davon, wenn sie kunterbunte Erfahrungen mit anderen Erwachsenen und Kindern machen können. Aus Sicht der Kinder ist dabei entscheidend, dass die betreuenden Erwachsenen feinfühlig auf die Kinder reagieren, ausreichend Zeit haben und sich Kinder und Erwachsene wirklich gernhaben. Nur dann können sich Kinder in der Betreuung wohl und sicher fühlen – und dies ist wiederum Voraussetzung dafür, dass Kinder die Erfahrungen in bereichernder Weise nutzen können. In meinem Kinderbuch „Ela, Elmo und die Zaubermomente – ein Kinderfachbuch über Bindung“ habe ich im Fachteil für Erwachsene ausführlicher über diese Zusammenhänge geschrieben.

 

Wie das Betreuungsnetz einer Familie aussieht, ist individuell. Die meisten Familien nutzen Tagesmütter, Kitas, Kindergärten und Schule/ Schulhort für die Betreuung. Hier ermutige ich immer wieder hinzuschauen, je jünger die Kinder sind umso mehr, wie die personelle Besetzung ist, ob die Erwachsenen gerne Zeit mit den Kindern verbringen und sie sich mit den Bedürfnissen von Kindern, insbesondere auch das Bedürfnis nach Nähe und Themen wie Trennungsschmerz und Trennungsangst bei Kindern auskennen.

 

Ich ermutige Eltern immer wieder dazu, sich ein individuelles Betreuungsnetz „zusammenzuschustern“. Gerade jungen und sensiblen Kindern tut es gut, wenn sie eine überschaubare Zeit in der Kita sind – und manche Familien entscheiden sich ja auch grundsätzlich für eine Betreuung zu Hause. Für viele Kinder ist es wunderbar, wenn sie Zeit mit den Großeltern oder vertrauten Nachbar*innen verbringen können. Eltern dürfen hier kreativ denken und unterschiedliche Ressourcen nutzen. Wunderbar kann es sein, eine*n oder mehrere „Babysitter*innen“ zu haben, die unterstützen können. Hier ist es wirklich möglich, sich eine Person auszusuchen, die gut zu den eigenen Kindern passt. Ich selbst mag den frischen Wind und die lustigen Ideen sehr, die unsere Babysitterin zu uns nach Hause bringt - gerade diese gehen uns Eltern und den Fachkräften in Kita und Schule einfach manchmal verloren, weil wir zu viele Dinge im Blick haben müssen. Ich selbst mache sehr gute Erfahrungen mit Schüler*innen und Student*innen in der Betreuung meiner Kinder. Eine Anzeige kann beispielsweise über das Job-Portal für Studis „stellenwerk“ (für Darmstadt: stellenwerk-darmstadt.de). In vielen Städten gibt es Babysitter*innen-Vermittlungsdienste, zum Beispiel über die Stadt oder den Kinderschutzbund. In der Kartei sind meist Personen, die einen entsprechenden Kurs oder einen „Babysitter*innen-Führerschein“ gemacht haben. Darmstädter Familien finden weitere Infos über das Familienzentrum hier.

 

2. Haushaltshilfe/ FamilienLotSinn® / Mütterpflegerin

Eine Haushaltshilfe ist eine Leistung nach § 38 des SGB V (fünftes Sozialgesetzbuch). Eltern mit einem Kind unter 12 Jahren können diese Hilfe bei Krankheit, bei Komplikationen in der Schwangerschaft oder durch die Geburt eines Kindes nutzen. Ich selbst war bei zwei Schwangerschaften von der Schwangerschaftskomplikation „Hyperemesis gravidarum“ betroffen. Die Symptome bei einer Hyperemesis gravidarum führen dazu, dass die betroffenen Frauen ihr Leben nicht wie gewohnt weiterführen können. Ich habe mir während meiner zweiten Schwangerschaft von meiner Ärztin eine Haushaltshilfe attestieren lassen, da ich mich nicht mehr um mein älteres Kind kümmern konnte. Eine wunderbare FamilienLotSinn© hat uns dabei unterstützt, dass wir die schwierige Zeit meistern konnten. Die Hilfe kann bei der Krankenkasse beantragt werden. Eltern können schauen, ob sie in ihrer Nähe eine FamilienLotSinn© oder eine Mütterpflegerin finden. Diese können Essen und Getränke bereitstellen, einkaufen, Geschwisterkinder versorgen und sind speziell für die Unterstützung von jungen Familien ausgebildet. 

 

3. Lieferservice

Die Besorgungen für den Alltag, wie Lebensmittel oder Drogerieartikel, nehmen Zeit in Anspruch und gerade mit einem oder mehreren jungen Kindern kann Einkaufen viel Energie kosten. Gerade beim Einkaufen rasseln Eltern und Kinder immer wieder aneinander. Auch hier dürfen wir schauen, wie für bestimmte Phasen oder auch dauerhaft eine Lösung aussehen kann, die entlastet. Supermärkte können Lebensmittel nach Hause liefern, Drogeriemärkte liefern Hygieneartikel, eine Bio-Kiste kann vor die Tür gestellt werden.

 

4. „Zaubermomente“ sammeln: Bindung ist Grundbedürfnis

Ich glaube, dass für uns Eltern die To-do-Liste eigentlich nie abgearbeitet sein kann. Es gibt immer etwas, das noch oder bald ansteht, Dinge die getan werden könnten – die Kinder oder uns Erwachsene betreffend, den Job betreffend, die Wohnung oder das Haus und so weiter. Ich glaube, was wir brauchen, ist einen konsequenten Fokus, auf das „was wirklich zählt“. Hier spielen einerseits unsere persönliche Werte eine Rolle. Und gleichzeitig kann auch der Blick auf Bindungstheorie- und Bindungsforschung sowie auf unsere Neurobiologie hilfreich sein. Wir brauchen die Nähe zu anderen Menschen, damit es uns gut gehen kann. Wir wollen Freude und Kummer mit Menschen teilen, die uns am Herzen liegen. Für Kinder spielt dieser Punkt eine wichtige Rolle, da sie besonders auf die Hilfe von uns Erwachsenen angewiesen sind, um mit den kleinen und großen Herausforderungen des Alltags klarzukommen – und auch mit den bunten Gefühlen, die dabei entstehen. Ich formuliere es gerne so: wenn wir mit unseren Lieblingsmenschen Zeit verbringen können und mit ihnen dabei eine Herausforderung gemeistert oder etwas Schönes erlebt haben, dann haben wir einen „Zaubermoment“ gefunden. Zaubermomente geben uns Kraft und Halt im Alltag. Das vergessen wir häufig, wenn wir im Alltag mehr leistungsorientiert statt bindungsorientiert von A nach B hetzen. Das Konzept der Zaubermomente ist dem Kinderbuch „Ela, Elmo und die Zaubermomente“ von Marlene Monzel und mir entnommen.

 

5. (Psychologische) Kinderbücher als Ressource

Gerade in Phasen, in denen wir Eltern überlastet sind, ist es für die Kinder wichtig, dass wir immer wieder Momente schaffen, in denen wir uns Zeit für die Kinder nehmen. Das Anschauen und Lesen von Kinderbüchern kann eine wunderbare Ressource sein. Wenn Erwachsene und Kinder sich gemeinsam aufs Sofa oder in die Leseecke setzen, kann das an sich schon eine entschleunigende Wirkung haben. Alle Bücher, die Spaß machen und begeistern, sind wertvoll. Außerdem gibt es psychologische Kinderbücher für den Familienalltag, die genutzt werden können, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen und Ideen für den Umgang mit Herausforderungen zu entwickeln. Psychologische Kinderbücher beschäftigen sich beispielsweise damit, wie

Insbesondere, wenn wir Eltern müde und erschöpft sind, fällt es uns manchmal schwer, die "richtigen" Worte für schwierige Situationen zu finden - hier können Bücher helfen.

 

7. Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche

Die Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche unterstützen Familien bei allen Fragen und Hürden, die im Leben als Familie auftauchen können. Das Angebot der Beratungsstellen ist für Familien kostenfrei und auf Wunsch kann eine Beratung anonym stattfinden.

Die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) ist der Fachverband der Familienberatung in Deutschland. Über die Website der bke (www.bke.de) können Eltern nach einer Beratungsstelle in ihrer Nähe suchen (über den Menüpunkt „Für Ratsuchende“ findet sich die „Beratungsstellen-Suche“). Für jede Familie gibt es eine Beratungsstelle in der Nähe des eigenen Zuhauses.

Ich schätze das Angebot der Familienberatungsstellen sehr und kann aus meiner eigenen Zeit als Psychologin in der Beratungsstelle in Frankfurt Rödelheim sagen, dass viele Kolleg*innen aus diesem Fachfeld die Kinder wunderbar in den Blick nehmen und sich mit den Rechten von Kindern und Eltern auskennen. Wie bei jedem professionellen Angebot geht es für Eltern hier darum, eine qualifizierte Fachperson zu finden, mit der sie sich auch auf zwischenmenschlicher Ebene wohl fühlen. Es gibt außerdem ein Online-Angebote für Eltern und Jugendliche (E-Mail-Beratung und Chats), das auch über die Website der bke zu finden ist.

 

7. Psychotherapie

Manchmal steckt hinter der Erschöpfung als Eltern u.a. ein individuelles Thema und der Wunsch, dieses Thema zu bearbeiten. Eine Psychotherapie kann ein wertvoller Schritt auf dem Weg sein. Psychotherapie kann hilfreich sein, wenn Vergangenes belastet oder die Sorgen beim Blick in die Zukunft groß sind.

Ich selbst arbeite nach dem psychotherapeutischen Verfahren der systemischen Therapie, biete derzeit aber keine Einzelsitzungen an, sondern arbeite in meiner Praxis ausschließlich im Rahmen von (Online-) Paarberatung und Paartherapie, die ich unter Punkt 8 beschreibe.

Die Bundespsychotherapeutenkammer informiert auf dieser Website über die Wege in die Psychotherapie:

www.wege-zur-psychotherapie.org

Bei den Landespsychotherapeutenkammern finden sich Möglichkeiten niedergelassene Kolleg*innen zu finden.

 

8. (Online-) Paarberatung und Paartherapie für Eltern

Gerade wenn wir erschöpft sind, wünschen wir uns Unterstützung von unserem Partner oder unserer Partnerin. Was, wenn in einer Familie alle Erwachsenen kraftlos sind und Eltern erleben, dass die Liebesbeziehung keine Ressource ist, sondern ihnen zusätzlich Kraft raubt?

Erschöpfung macht uns anfällig dafür, einander zu verletzen und, wenn die Pflege der Beziehung zu kurz kommt, „vergessen“ Paare häufig Schäden zu reparieren und einen Rahmen zu gestalten, in dem es möglich ist, einander immer wieder zu begegnen.

Es kann hilfreich sein, gezielt professionelle Unterstützung in Form von Paarberatung und Paartherapie zu nutzen, um einen Blick auf die Partnerschaft zu werfen und neue Möglichkeiten im Umgang mit Herausforderungen als Paar zu finden.

Knappe Ressourcen von Eltern führen manchmal dazu, dass es eine große Herausforderung sein kann, Termine wahrzunehmen. Für manche Paare ist eine Online- Paarberatung sinnvoll, weil

  • Anfahrtswege wegfallen,
  • Eltern in der Nähe der Kinder bleiben können,
  • Video-Gespräche mit E-Mail-Kontakten und Online-Vorträgen flexibel kombiniert werden können.

Ich bin fasziniert und überzeugt von den wunderbaren Möglichkeiten der Online- Paarberatung, so dass ich inzwischen genauso gerne online arbeite wie in meiner paartherapeutischen Praxis in Darmstadt.

 

Was hat das alles mit Perfektionismus und Fehlerkultur zu tun?

Einige Überzeugungen, mit denen wir durchs Leben laufen, erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Erschöpfung und Burnout: beispielsweise die Überzeugung, dass wir alles allein schaffen müssen oder die Erwartung, dass wir negatives Feedback bekommen, wenn wir andere Menschen um Hilfe bitten. Mit diesen Ideen sind viele von uns groß geworden. Demgegenüber steht eine Haltung, die ich eine „günstige Fehlerkultur“ nenne. Diese Fehlerkultur zeigt sich auf verschiedene Weisen: Wenn wir die Tatsache akzeptieren, dass wir ausreichend Ressourcen brauchen, um ein Familienleben voller Zaubermomente zu gestalten. Wenn wir das Annehmen von Hilfe nicht mit Scheitern gleichsetzen, sondern mit der Kompetenz sinnvoll mit eigenen Kräften umgehen zu können. Wenn wir es als völlig normal ansehen, im Leben auch mal in eine Sackgasse zu geraten und Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um der Sackgasse wieder herauszukommen. Auch unsere Kinder dürfen miterleben, dass nicht immer alles rund läuft und es Menschen gibt, die uns zur Seite stehen.

 


Dies ist das Blog des Halthafens.

 

Meine Texte ergeben sich aus der Beschäftigung mit psychologischer und systemischer Literatur und Forschung, meinen Erfahrungen in der Paartherapie mit Eltern in meiner Praxis in Darmstadt und der Paarberatung und Paartherapie online sowie aus meinem Leben als Mama von zwei Kindern. Aus meiner Arbeit heraus entwickele ich außerdem psychologische Kinderbücher. Wenn du über neue Texte informiert werden magst, folge mir gerne auf Instagram oder trage dich gern für meinen Newsletter ein.