„Du hast dich schon wieder nicht um die Spülmaschine gekümmert!“, Sina kritisiert Robin in scharfem Ton.
Robin, sichtlich genervt, rechtfertigt sich: „Wie hätte ich das machen sollen, bei all den Streitereien der Kinder?“
Sina legt nach: „Warum kannst du nie halten, was du versprichst?“ –
„Also, wenn du so anfängst, ist das Gespräch für mich beendet!“, entgegnet Robin und verlässt die Küche, um in sein Arbeitszimmer zu gehen.
Dieses Beispiel ist angelehnt an eine Szene aus meinem paartherapeutischen Lernfilm "Vom Streit in die Sonne" aus meiner (Online-) Praxis für Paartherapie. Es zeigt eine Situation, die wir in ähnlicher Weise alle schon erlebt haben. Momente, in denen unausgesprochene Bedürfnisse, verletzte Gefühle und automatische Reaktionen die Oberhand gewinnen, erleben alle Paare. Für manche Paare werden diese Dialoge zur Grundmelodie ihres Miteinanders.
Nach einem Streit bleiben Partner*innen oft mit Gefühlen von Distanz und Alleinsein zurück – begleitet von Schuldgefühlen gegenüber den Kindern und der drängenden Frage: Wie kann es anders gehen? Um darauf eine Antwort zu finden, setzen wir uns heute einmal die "Bindungsbrille" auf. Das bedeutet, dass wir versuchen, hinter den Streit zu schauen und die Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen, die unausgesprochen geblieben sind.
Was sagt die Bindungsforschung zu Streit in der Partnerschaft? Die Zutaten des Streits
Kritik und Rechtfertigungen, bissige Bemerkungen und Mauern – das sind die Zutaten, aus denen Streit entsteht. Das bestätigt nicht nur die Forschung, sondern erlebe ich auch täglich in meiner Praxis für (Online-) Paartherapie. Auch das obige Beispiel besteht aus diesen Kommunikations- und Verhaltenselementen. Und oft sind sie nur die Spitze des Eisbergs. Darunter liegt etwas, das es wert ist, genauer betrachtet zu werden.
Aus meiner Sicht lohnt es sich sehr, Streit in der Partnerschaft durch die Brille der Bindungsforschung zu betrachten. Dadurch erkennen wir, dass hinter Sinas scharfer Kritik mehr steckt als Ärger oder der Wunsch, „einfach mal Dampf abzulassen“. Wenn wir davon ausgehen, dass es uns allen im Grunde darum geht, uns erwünscht, unterstützt und verstanden zu fühlen, dann kommen wir auf eine andere mögliche Interpretation von Sinas Verhalten: Ihr Verhalten ist ein Protest. Sie wehrt sich dagegen, dass die Verbindung zu Robin gefährdet ist. Sie ist unsicher und ringt um die Antwort auf eine grundlegende Frage: Steht Robin an ihrer Seite? Unterstützt er sie – nicht nur bei der Spülmaschine, die stellvertretend für alle anderen Formen der Unterstützung steht.
Bist du für mich da, wenn ich es alleine nicht schaffe? Wenn meine Gefühle mich überrollen? Wenn es mir schlecht geht?
Auch Robin rechtfertigt sich nicht nur aus Frust. Er versucht, die Beziehung zu schützen, indem er sich verteidigt. Er möchte Sina zeigen, dass er getan hat, was in seiner Macht stand – in der Hoffnung, dass sie ihn milder und wertschätzender wahrnimmt.
Streit als Engagement für die Beziehung? Ja, tatsächlich. Hinter emotional aufgeladenen Streit-Situationen stecken oft unsere Bindungsbedürfnisse – der Wunsch nach Nähe, Sicherheit und Wertschätzung.
Uns geht es nicht anders als unseren Kindern: wir brauchen Verbindung zu unseren Lieblingsmenschen
In meinem psychologischen Kinderbuch „Ela, Elmo und die Zaubermomente“ zeigt Elmo genau das: Wenn er sich aufbläst, ist das nicht einfach nur Wut – es ist Protestverhalten. Elmo geht auf die Barrikaden, wenn es für Ela mit ihren Lieblingsmenschen nicht gut läuft.
Viele Dinge, die wir als Erwachsene manchmal mühsam lernen müssen, hätten wir schon als Kinder verstehen können und sollen. Damals herrschten andere Erziehungsideologien – das ist ein Thema für sich. Umso wertvoller ist es, dass uns heute Wissen und Materialien zur Verfügung stehen, mit denen wir Kinder bestmöglich in ihrer sozio-emotionalen Entwicklung begleiten können. So können wir gemeinsam mit den Kindern wichtige Grundlagen für ein gutes Miteinander erlernen.
Aus der Bindungsforschung wissen wir: Kritik, scharfe Worte und Rechtfertigungen sind oft Versuche, um die emotionale Nähe wiederherzustellen. Ähnlich wie das
Weinen der Kinder, wenn ein Elternteil in einer ungewohnten Situation den Raum verlässt.
Wenn wir das erkennen, können wir oft schon anders auf unseren Partner oder unserer Partnerin blicken.
Ein neuer, beziehungsdienlicher Umgang mit Bedürfnissen und Gefühlen
Eine bindungsbezogene Absicht hinter der Kritik oder der Rechtfertigung zu sehen, kann ein erster wichtiger Schritt für Paare sein. Paaren, die häufig und verletzend streiten, kann es außerdem helfen, wenn sie sich bewusst mit den eigenen Bedürfnissen und der Beziehung auseinanderzusetzen - beispielsweise in einer (Online-) Paartherapie. Es geht darum, eine neue, offene Art des Umgangs zu finden – eine, in der Gefühle und Bedürfnisse klar ausgesprochen werden und beide Partner*innen flexibel und einfühlsam aufeinander eingehen.
Statt scharfe Kritik zu äußern, könnte Sina beispielsweise sagen:
„Oh Mensch, ich bin heute echt am Limit. Ich kümmere mich die ganze Zeit um die Belange anderer Menschen und jetzt brauche ich einfach die Sicherheit, dass du mir den Rücken freihältst. Ich dachte, du würdest die Spülmaschine ausräumen…“
Robin könnte darauf antworten: „Das tut mir leid, ich möchte nicht, dass du dich von mir hängen gelassen fühlst. Es war heute viel mit den Kindern… So viel, dass ich mir eine lange Umarmung von dir wünsche.“
Diese Art der Kommunikation klingt in unseren Ohren zunächst vielleicht ungewohnt. Wir sind es nicht gewohnt, in der Kommunikation Gefühle und Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu rücken und klar zu benennen.
Löst das unmittelbar das Problem mit der Spülmaschine? Nein. Und das ist OK.
Diese Art des Austauschs schafft Raum für Verständnis und Verbundenheit – der Konflikt wird zu einer Gelegenheit, sich als Paar näherzukommen, anstatt Distanz zu schaffen.
Und übrigen: erst wenn wir uns miteinander verbunden fühlen, sind wir hirnphysiologisch in der Lage, wertschätzend zu kommunizieren und uns schlaue Lösungen für kleine und große Probleme auszudenken.
Was könnt ihr als Liebes- und Elternpaar also tun?
1. Die "Bindungsbrille" als Paar aufsetzen: Wohlwollende Vermutungen anstellen, was unter der Oberfläche liegt: Fragt euch, welche Gefühle und überfüllten Bedürfnisse hinter der Kritik oder Rechtfertigung verborgen sind.
2. Die „Bindungsbrille“ als Eltern aufsetzen: Übt mit euren Kindern, immer wieder aus der Perspektive der Bindung auf den Paar- und Familienalltag zu schauen. Mein psychologisches Kinderbuch “Ela, Elmo und die Zaubermomente” kann euch dabei unterstützen.
Wenn wir beginnen, hinter die Worte zu schauen, schaffen wir Raum für echtes Verständnis – und verwandeln alltägliche Konflikte in Gelegenheiten, unsere Beziehungen auf ein neues Level zu heben.
Wenn ihr interessiert daran seid, in therapeutischer Begleitung die unausgesprochenenen Gefühle und Bedürfnisse hinter eurem Streit kennenzulernen, meldet euch gerne für einen Ersttermin in meiner (Online-) Praxis.
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Ich bin Julia Schneider und begleite als Psychologin und Paartherapeutin Eltern auf ihrem Weg in eine haltgebende Beziehung. Mein Ansatz verbindet (Online-) Paartherapie mit einem besonderen Blick auf die kindliche Entwicklung: Kinder lernen bei jedem Schritt der Eltern, wie Liebe gelingt – ohne an den Terminen teilzunehmen und ohne von Erwachsenenthemen überfordert zu werden. Ich zeige Eltern, wie das geht.
Wenn ihr nach „Paartherapie in der Nähe“ oder einer flexiblen Online-Paartherapie sucht, seid ihr bei mir richtig. Meine Praxis für Paartherapie in Darmstadt ist digitalisiert, und ich begleite Paare deutschlandweit.
Basierend auf meinen Erfahrgunen als Psychologin und Mama von zwei Kindern entwickle ich psychologische Kinderbücher, die Familien stärken können. Denn im Land der Fantasie wachsen wir über uns hinaus.